Sobald wir drei Kinder aus dem Gröbsten heraus waren und sie ein bisschen Zeit dazu fand, begann sie wieder zu malen. Ihre Leidenschaft waren Porträts. (…) So besuchte sie während mindestens einem, vielleicht auch mehreren Wintern den Unterricht von Professor Hummel in Zürich, bei dem sie sehr viel lernte. Während dieser Zeit entstanden beispielsweise das hervorragende Kniestück von Finkenspörri, das ausgezeichnete Bild von Grossvater Gut und in späteren Jahren die Portraits aller ihrer sieben Enkelkinder neben sehr schönen Blumenbildern. Mama hätte gerne einmal ausgestellt, auch um offizielle Kritik zu erhalten. Aber das war zu jener Zeit noch undenkbar. Das Kunsthaus kam nicht in Frage, allgemeine Ausstellungen verschiedener Künstler (zum Beispiel Züri-Land) fanden noch nicht statt, und die heute zahllosen Galerien waren noch nicht erfunden.
Aus: Hilde Welti-Gut, «So war es einst», Stäfa 2008, S. 49 f.
Ida Hulftegger wuchs in Meilen auf, als Tochter von Ida und Robert Arnold Hulftegger-Leemann. Ihr Vater besass eine «mechanische Glaserei», eine Fensterfabrik. Er starb bereits 1901. Ihr Grossvater mütterlicherseits war Johann Jakob Leemann-Rämann, ursprünglich Landwirt, dann Verwalter der Kantonalbankfiliale Meilen, Gemeindepräsident, Kantonsrat, Verfassungsrat und Kreisgerichtspräsident und Stiftungsratspräsident der Wunderly-Zollinger-Stiftung.
Ida Hulftegger schrieb 1958 «Erinnerungen». Auszug:
Mein Grossvater mütterlicherseits, Johann Jakob Leemann-Rämann, war es, der nach dem frühen Tod meines geliebten Vaters dessen Stelle in unserer Familie vertrat, bis er uns verlassen musste am 28. Dezember 1907. Ich war bei seinem Hinschied 18½ Jahre alt und mein Bruder 13 Jahre. (…)
Mit grosser Dankbarkeit gedenke ich» eines «hervorragenden Erziehers», des Sekundarlehrers Jakob Stelzer, «dessen Unterricht ich in der zweiten und dritten Sekundarschule geniessen durfte. (…) In seinen Deutsch- und Geschichtsstunden gelang es ihm, auch bei seinen stumpfsten Schülern Anteilnahme zu wecken, und jene die Ohren hatten zu hören, die riss er oft zu heller Begeisterung hin. Friedrich Schiller hiess der Leitstern seines Lebens. (…) (S. 7 f.)
Ida Gut zitiert aus der Grabrede des Pfarrers für ihren Grossvater unter anderem eine bemerkenswerte Aussage betreffend die Wunderly-Zollinger-Stiftung:
Wie sehr war ihm (J. J. Leemann) dabei das Wohlergehen der jungen Leute am Herzen gelegen, die durch sie ihre Ausbildung fanden! (S. 11)
«Grossvater las mit höchstem politischen Interesse die Neue Zürcher Zeitung, das Wochenblatt vom Zürichsee (die jetzige Zürichsee-Zeitung), das Volksblatt des Bezirks Meilen, dazu den Landboten, eine Zeitung demokratischer Observanz von Winterthur. (…) Im übrigen hat mein lieber Mann mich später darüber aufgeklärt, dass die Demokraten von damals in ihrer politischen Einstellung nicht sehr verschieden von den heutigen Freisinnigen waren.» (S. 16)
Beiläufig erwähnt Ida Gut-Hulftegger, dass sie 1907, also mit 18 Jahren, in einer Pension Kutter in Auvernier Französisch lernte. (S. 67)
Aus dem Erinnerungsbuch von Hilde Welti-Gut, Tochter von Ida Gut-Hulftegger: «So war es einst»
Sie (Ida Hulftegger) besuchte die Schulen in Meilen, anschliessend das Institut Boos-Jeger* (phonetisch aus meiner Erinnerung geschrieben, also möglicherweise orthografisch falsch) in Zürich, und auch zur Ausbildung der malerisch sehr Begabten die Böcklin-Schule. Die Schiller-Verehrerin war aber auch schauspielerisch begabt: Als im Jahre 1912 in Meilen ein grosses Festspiel zu Ehren der Zürcher kantonalen Landwirtschafts- und Bezirks-Gewerbe-Ausstellung bevorstand und für die Rollen vorgesprochen werden musste, kam Idy Hulftegger leider zu spät, die Hauptrollen waren bereits vergeben. Man liess die hübsche, junge Tochter indessen doch noch vorsprechen und der Autor war so begeistert, dass er seinem Werk eine extra für sie geschriebene tragende Rolle (Die Zeit) hinzufügte.
Mit dem Zug zwischen Meilen und Zürich pendelnd sah sie gelegentlich auch den Sohn von Landschreiber Gut, der aber – meist lesend – von jungen Töchtern zu dieser Zeit wenig Notiz nahm. Zum Abschluss ihrer Ausbildung war Mama in einem guten Pensionat im Welschland (…).
Unsere Mutter war eine vielseitige Persönlichkeit, fantasievoll, geistig sehr lebhaft und belesen. (…) (Sie erzählte) unserm Vater, der für Belletristik in spätern Jahren wenig Zeit hatte, oft von ihrer Lektüre und hielt ihn damit auch in dieser Beziehung auf dem Laufenden. (…) Sobald wir drei Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, und sie ein bisschen Zeit dazu fand, begann sie wieder zu malen. Ihre Leidenschaft waren Portraits (was wir oft als Modelle dienenden Kinder leider nicht immer zu schätzen wussten (…). (S. 49 f.)
Als Tochter aus gutem Hause hatte man Mama nach ihrer Schulzeit ins Welschland, in diesem Falle nach Genf in ein offenbar vornehmes Pensionat geschickt. Das in einem guten Pensionat Unterrichtete entsprach in einigen Fächern wie Literatur, Kunstgeschichte usw. (nicht Rechnen, Geometrie etc.) mehr oder weniger dem heute an einer höheren Töchterschule Gebotenen. Vor allem diente es der Ausbildung in der französischen Sprache, aber auch in feiner weiblicher Handarbeit und gutem Benehmen. (…) Oft umfasste diese Schule auch gehobenere Kochkünste. Mit einem Wort: Es wurde den Töchtern das vermittelt, was man unter weiblicher Bildung verstand. (…) Was ihr den tiefsten Eindruck hinterliess: Man hatte Schillerdramen gelesen und besprochen, was sie uns Kindern auf Sonntagsspaziergängen mit Begeisterung erzählte. (S. 21)
* Auskunft von Dr. Matthias Fischer: Es handelte sich um die «Kunst- und Frauenarbeitsschule Zürich» (1902) bzw. «Allgemeine Töchterbildungsanstalt Boos-Jegher» (1906). Sie befand sich an der Mühlebachstrasse 8 im Seefeld und wurde durch Emma Boos-Jegher https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009277/2004-08-17/ und deren Ehemann geleitet. Hierzu hat mir der Historiker Adrian Knoepfli eine Auskunft von Elisabeth Joris vermittelt (E-Mail vom 27.9.20): „Emma Boos-Jegher war eine der wichtigsten Figuren der „ersten“ Frauenbewegung. Siehe das Porträt im HLS. In Triest geboren, zeigte sie sich weltoffen. Nach dem Besuch ihres Mannes, Eduard Boos bei der Weltausstellung in Chicago kam es in der Folge zum ersten Schweizerischen Frauenkongress. Sie war Mitbegründerin und Mitglied fast aller Frauenverbände, vom sittlichen über den gemeinnützigen bis zu den Frauenstimmrechtsverein. Zusammen mit ihrem Mann – er wäre der Vorgänger von Bigler im Gewerbeverband, aber im Gegensatz zu diesem äusserst weltoffen und frauenfreundlich – führte sie ein Töchterinstitut an der Mühlebachstrasse über das ich zusammen mit Ursula Blosser vor Jahrzehnten schon geschrieben habe. Eine wichtige Figur, die aber kaum wissenschaftlich erforscht wurde, sondern in der Frauenbewegungsgeschichte einfach auch noch nebenbei vorkommt.“
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1914 heiratete Ida Hulftegger Theodor Gut.
Auszug aus dem Historischen Lexikon der Schweiz:
Geboren 11.2.1890 Männedorf, gestorben 29.8.1953 Stäfa, ref., von Männedorf. Sohn des Johannes. 1914 Heirat mit Ida Hulftegger, Tochter des Robert Arnold, von Meilen. Nach dem Geschichtsstudium wurde G. Journalist. Als Redaktor (ab 1914) und Chefredaktor (ab 1925) der «Zürichsee-Zeitung» und Gründer des Buchverlags Theodor Gut (1944) baute er ein Druck- und Verlagsunternehmen auf (…).
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/006350/2011-12-22/
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Aus der „Hochzeits-Zeitung“ für Ida Hulftegger und Theodor Gut, zu deren Hochzeit, die am 6. Juni 1914 stattfand.
Nach langem Unterbruch nahm Idaly nun (wahrscheinlich 1913) Pinsel und Palette wieder zur Hand und zog nach der lieblichen Ufenau, um, wie sie der Mutter erklärte, schöne ‚Plätzli‘ zu verewigen.
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28.9.20 Ulrich Gut.